Lüftungshersteller werben gerne mit „Nie mehr Schimmel“, da durch die Lüftung der Feuchtigkeitsüberschuss abtransportiert würde. Mindestens genauso wichtig ist jedoch der oft vergessene Sauerstoff-, bzw. CO2-Gehalt in unserer Atemluft. Bin ich durch den Einbau einer Lüftungsanlage auf der sicheren Seite und kann mich entspannt zurücklegen?
Der Gastbeitrag von den Expert:innen von Thümer Holzbau Architektur gibt euch eine Einschätzung, wann es sinnvoll ist, eine Lüftungsanlage einzubauen, wann ihr darauf verzichten könnt und was ihr in jedem Fall für eine gesunde Raumluft beachten solltet.
Kontrollierte Wohnraumbelüftungen gibt es in den unterschiedlichsten Ausführungen und sie werden immer häufiger in Bestands- und Neubauten eingesetzt – denn unsere Gebäude werden zunehmend dichter gebaut. Das erfordert kluge Lösungen zur Feuchtigkeitsregulation und für eine ausreichende Frischluftzufuhr.
Denn grundsätzlich besteht die Notwendigkeit zum Lüften aus den folgenden Gründen:
Ein Mensch produziert durch die Atmung stets Feuchtigkeit, die an die Umgebungsluft abgegeben wird (etwa 60 g Wasserdampf in der Stunde bei ruhender Tätigkeit). Hinzu kommen weitere Feuchtigkeitsquellen, wie bspw. Kochen, Duschen, Waschen etc. Diese Feuchtigkeit muss über das Lüften nach draußen transportiert werden, ansonsten kann es zu Feuchtigkeitsschäden am Bauwerk (und dadurch hervorgerufenen möglichen Erkrankungen) kommen. Wir Menschen fühlen uns in Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit nicht mehr wohl, da u. a. das Atmen schwerer fällt, der Körper schneller ermüdet und es in Verbindung mit hohen Temperaturen zu einem Wärmestau im Körper kommen kann. Außerdem steigen bei einer feuchten Luft der Gehalt an Krankheitskeimen und die Geruchsbelästigung. Aber auch eine zu „trockene“ Luft, gerade im Winter durch die geringen Temperaturen und die niedrige Luftfeuchte, kann für den Körper unangenehm werden.
Bei der Beurteilung der Luftfeuchtigkeit kommt es immer auch auf die Raumtemperatur an, denn 60 % relative Luftfeuchte in einem 20° C warmen Raum sind wesentlich unangenehmer als 60 % relative Luftfeuchte in einer kalten Umgebung.
Grundsätzlich gilt ca. 50 % als Idealwert für die relative Luftfeuchte bei einer üblichen Raumlufttemperatur. 30 % sollten nicht unterschritten und 60 % nicht überschritten werden.
Max. dauerhafter CO2-Gehalt in der Luft: grundsätzlich sollte ein Wert von unter 600 ppm eingehalten werden, langfristig sollten 700 ppm nicht überschritten werden (erste Müdigkeitserscheinungen treten meist erst bei über 2000 ppm auf). Ein dauerhaft erhöhter CO2-Gehalt in der Luft kann schädlich für Körper und Geist sein, da Müdigkeit, Unkonzentriertheit, Unwohlsein, Kopfschmerzen und Übelkeit auftreten können (sehr individuelles Empfinden).
Bei technisch betriebenen Be- und Entlüftungsanlagen unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer zentralen und einer dezentralen Lüftungsanlage. Eine ebenso mögliche Lüftungsart ist die manuelle Lüftung, d. h. der Luftaustausch durch das händische Öffnen der Fenster. Grundsätzlich sollte bei jeder Art von Lüftung darauf geachtet werden, dass besonders in der kalten Jahreszeit möglichst wenig Heizenergie verloren geht, d. h. nur so viel gelüftet wird wie nötig. Denn ansonsten lohnen sich die Anstrengungen nicht, die wir heutzutage auf uns nehmen, um eine möglichst hohe Energieeffizienz zu erreichen.
Solltest du dich für eine raumlufttechnische Anlage entscheiden, heißt es nicht, dass du nicht unterstützend über die Fensteröffnung lüften kannst. Idealerweise werden die beiden Systeme sogar ergänzend eingesetzt. Zunächst sollen die Vor- und Nachteile einer technischen Be- und Entlüftung von Räumen betrachtet werden.
Vorteile:
Nachteile:
Nun möchten wir uns die beiden Lüftungssysteme einmal näher anschauen und erläutern, worin sich die Anlagen unterscheiden.
1. Zentrale Lüftungsanlage
Eine zentrale Lüftungsanlage ist ein zentral verbautes System, das mehrere Räume in einem Gebäude über getrennt geführte Zu- und Abluftkanäle mit frischer Luft versorgt. Hierbei gibt es nur zwei Öffnungen zur Außenluft, einmal um die Frischluft anzusaugen und einmal um die „verbrauchte“ Luft wieder an die Außenluft abzugeben. Diese Technologie wird zunehmend in Wohn- und Gewerbeimmobilien eingesetzt, um eine komfortable Raumnutzung zu schaffen.
Vorteile:
Nachteile:
Um die statische Aufladung in der Lüftungsanlage und die damit verbundenen möglichen negativen Auswirkungen auf die Außenluftqualität zu reduzieren, können bspw. die Implementierung von Erdungssystemen, eine gezielte Befeuchtung der Luft und/oder der Einsatz von antistatischen Materialien (wie z. B. Metallrohre anstatt Kunststoffkanäle) helfen. Bei Letzterem muss jedoch der hohe Energieaufwand für die Herstellung und damit der Einsatz dieser kritisch hinterfragt werden.
Anwendungsbereiche
Zentrale Lüftungsanlagen sind vielseitig einsetzbar und bieten in vielen Bereichen Vorteile hinsichtlich Luftqualität, Energieeffizienz und Komfort. Ihr Einsatz ist besonders in Gebäuden wichtig, in denen eine konstante Belüftung und ein gesundes Raumklima erforderlich sind und durch eine manuelle Lüftung nicht konsequent gewährleistet werden kann. Das betrifft hauptsächlich größere Gebäude mit vielen Nutzer:innen wie bspw. Mehrfamilienhäuser, Gewerbebauten, öffentliche Gebäude wie KiTas und Schulen sowie Pflege- und Sporteinrichtungen und die Hotellerie. Aber auch in Einfamilienhäusern können sie zum Einsatz kommen. Hier sollte Aufwand vs. Nutzen/Anspruch der Nutzer:innen bewertet werden.
Fazit
Eine zentrale Lüftungsanlage bietet viele Vorteile für die Wohn- und Arbeitsumgebung. Sie trägt nicht nur zu einem besseren Raumklima bei, sondern kann auch helfen, Energiekosten zu senken. Bei der Planung und Installation ist es jedoch wichtig, auf Qualität und Fachkenntnis zu setzen, um die bestmögliche Leistung zu gewährleisten. Der hohe planerische sowie Installationsaufwand macht sich insbesondere bei großen Gebäuden mit vielen (verschiedenen) Nutzern bezahlt.
2. Dezentrale Lüftungsanlage
Dezentrale Lüftungsanlagen sind eine moderne Lösung für die Belüftung von Wohn- und Gewerberäumen. Im Gegensatz zu zentralen Lüftungssystemen, die ein ganzes Gebäude mit einem einzigen Lüftungsgerät versorgen, arbeiten dezentrale Anlagen unabhängig in einzelnen Räumen. Dies bietet zahlreiche Vorteile.
Vorteile:
Nachteile:
Anwendungsbereiche
Dezentrale Lüftungsanlagen finden in vielen Bereichen Anwendung. Sie sind besonders geeignet für Einfamilienhäuser, Mietwohnungen, Büros oder Gewerberäume, in denen eine gezielte Belüftung erforderlich ist. Besonders für Bestandsbauten sind dezentrale Lüfter eine attraktive Option, da keine aufwendigen Installationen im Gesamtgebäude vorgenommen werden müssen. Ebenso kann es für ein innenliegendes Bad, für das eine technische Be- und Entlüftung zwingend notwendig ist, eine gute Lösung sein. Hier sollte ganz besonders darauf geachtet werden, dass die Anlage genügend Luftwechsel bietet, um Schimmelbildung und unangenehme Gerüche zu vermeiden.
Fazit
Insgesamt können dezentrale Lüftungsanlagen eine effektive und flexible Lösung zur Verbesserung der Raumluftqualität bieten. Sie sind eine interessante Alternative zu zentralen Systemen, insbesondere für kleine Gebäude und Bestandsbauten, um den Mindestluftwechsel herzustellen, ohne aufwändige Installationen vornehmen zu müssen. Insbesondere die Geräuschentwicklung und die evtl. verminderte Effizienz können Nachteile darstellen.
Eine manuelle Fensterlüftung ist sinnvoll, wenn die Nutzer:innen bereit sind, sich umfassend zu informieren sowie bewusst und aktiv zu lüften. Um ein gutes Bewusstsein zu entwickeln, wie sich die Raumluftqualität im Laufe des Tages und bei unterschiedlicher Belegung des Raumes verändert, hilft ein hochwertiges CO2 Messgerät, das ebenso einen Luftfeuchte-Hygrometer integriert haben sollte. So kann sich relativ schnell ein Feingefühl dafür ausbilden, wann und wie lange gelüftet werden muss, sodass das Lüftungsverhalten insgesamt optimiert wird. Grundsätzlich gibt es bei der Fensterlüftung ein paar Aspekte zu berücksichtigen:
Vorteile:
Nachteile:
Anwendungsbereiche
Besonders in Einfamilienhäusern stellt die manuelle Lüftung über die Fenster eine attraktive Lösung dar, denn die Installation einer Lüftungsanlage bedeutet in der Regel auch einen höheren Invest. Dieser muss gerade bei kleinen Gebäuden gegen den Nutzen abgewägt und bewertet werden. Die Nutzer:innen müssen bereit sein, die Lüftung aktiv vorzunehmen, und es muss das Interesse bestehen, sich gut um das Haus zu kümmern. Das ist durch die hohe emotionale Bindung bei einem Einfamilienhaus in der Regel gegeben.
Fazit
Die manuelle Fensterlüftung bietet eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, Räume mit frischer Luft zu versorgen. Daher kann diese Lüftungsart vor allem für Einfamilienhäuser eine gute Lösung sein. Nachteile wie die Wetterabhängigkeit oder ein möglicher Energieverlust sollten bedacht werden.
Jede Lüftungsart, eine zentrale oder dezentrale Lüftungsanlage und die manuelle Lüftung über die Fenster, weisen Vor- und Nachteile auf. Letztlich ist es abhängig von der Gebäudegröße, der Nutzung der Räume, der Anzahl der Nutzer:innen und den Anforderungen an die Raumluftqualität, welche Lüftungsart die geeignete Lösung darstellt. Während der hohe Technisierungsgrad sowie Installations- und damit auch Kostenaufwand für eine zentrale Lüftungsanlage insbesondere bei großen Gebäuden mit vielen verschiedenen Nutzer:innen sinnvoll und äußerst effizient sein können, ist eine manuelle Lüftung im Ein-/Zweifamilienhaus mit einer modernen Flächenheizung eine durchaus mögliche und sinnvolle Lösung.
Voraussetzungen für eine reine Fensterlüftung sollten ein gutes Verständnis für ein optimales Lüftungsverhalten und die Bereitschaft/Möglichkeit, regelmäßig zu lüften, sein. Feuchtigkeitspuffernde, natürliche Materialien, vor allem in den Oberflächen, wie bspw. geöltes Holz sowie Kalk- und Lehmputze können Feuchtigkeit zwischenspeichern und verhindern so eine Schimmelbildung, auch ohne Lüftungsanlage.
Wir empfehlen zudem, für Aufenthaltsräume CO2-Sensoren zu kaufen, die ein Signal freigeben, wenn der CO2-Pegel zu weit überschritten wird. Hier lohnt es sich, in gute Geräte zu investieren. Nach einiger Zeit werden die Raumnutzer:innen wissen, wie sie ihre Räume belüften müssen, um einen guten Sauerstoffgehalt zu gewährleisten.
Für große Gebäude mit vielen verschiedenen Nutzer:innen kann nicht unbedingt von einem guten Lüftungsverhalten ausgegangen werden, weshalb automatisierte Lösungen sinnvoller sind, um das Gebäude in einem insgesamt guten Zustand über möglichst viele Jahre zu erhalten.
News und Trends zum Thema Hausbau (28.10.2024): Der Sanierungskurs ist ab sofort verfügbar; Aktueller Bauzins unseres Referenzkredites; Sinkende Sanierungsbereitschaft: Weniger Hausbesitzer planen energetische Maßnahmen
News und Trends zum Thema Hausbau (21.10.2024): Steigende Baukosten in Sachsen: 2024 teurer als das Vorjahr; Regelmäßige Kontrolle der Hausfassade schützt vor teuren Schäden; Immobiliennachfrage steigt erneut: Optimismus am Markt; Leistbarkeit von Wohneigentum: Ruhrgebiet und Ostdeutschland punkten, Metropolen hinken hinterher
Bautoleranzen: Erfahre, welche Abweichungen bei Bauprojekten zulässig sind und wie sie Funktion, Sicherheit und Ästhetik eines Bauwerks beeinflussen.